Ich verbinde seit Jahren Marathonsammeln mit (Fern-)Reisen, was aber derzeit wegen der alles bremsenden Covid-19-Pandemie erschwert ist.

Brent Weigner, mit 183 Ländern deutlich führendes Mitglied im Country Marathon Club, bei dem ich auch eingeschrieben bin, kündigt seine Teilnahme beim 1. Riyadh Marathon am 5. März 2022 auf der Clubwebsite an. Kurzfristig beschließe ich, mich dafür auch zu registrieren.

Doch so einfach ist das nicht: während man bspw. in die Vereinigten Arabischen Emirate seit kurzer Zeit entweder mit einer zeitlich gestaffelten 3-fach Impfung oder mit einem negativen PCR-Test einreisen darf, haben die Saudis viel strengere Vorschriften. Man benötigt ein E-Visum, Kostenpunkt ca. 120 Euro, zudem eine genaue Angabe der erfolgten 3 Impftermine und eine zusätzliche kostenpflichtige Covid-Versicherung. Das Ausfüllen der elektronischen Formblätter dauernd seine Zeit, man muss die genauen Daten des Fluges und sogar das Hotel angeben. Und die Installation der sog. Tawakallna-App für das Smartphone, die die Gesundheitsdaten auch von Touristen betreffend Covid sicherstellen soll, ist eine zusätzliche Hürde bei der Anmeldung. Ich komme ins Schwitzen und zweifle schon, ob sich das alles lohnt – vielleicht doch, wenn man mit dem Marathon ein neues Land, wenn auch nur für 3 Tage, betritt.

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Ich buche keinen Direktflug, sondern wieder (wie Ende Nov. 2021) einen Zwischenstopp in Dubai. Den Tag verbringe ich an meinem „Hausstrand“ beim Hilton Hotel auf Jumairah Beach. Als hätte ich es geahnt – aus Vorsichtsgründen mache ich noch in der Nacht vor dem Abflug mit Emirates nach Riyadh einen Antigen-Test um 150 Dirham (ca. 35 Euro), den ich als Papierausdruck zum Impfzeugnis in die Folie stecke. Eine übergenaue Dame aus den Philippinen, die bei Emirates beim Check-in die Passagiere kontrolliert, anerkennt meinen 48 Stunden alten PCR-Test aus Wien nicht, weil ich einen Aufenthalt eingelegt habe. Ich argumentiere, doch sie bleibt stur. Nun zeige ich ihr den Antigen-Test von gestern 23 Uhr, der noch keine 8 Stunden alt ist. Sie kann die medizinischen Termini nicht zuordnen und glaubt, es sei ein aktueller PCR-Test. Ich darf passieren…

Der mit 1 ½ Stunden berechnete Morgenflug nach Riyadh ab 7:15 Uhr verläuft ungewöhnlich turbulent, die Boeing 777-300 ist mit vielen Gastarbeitern vielfach aus Pakistan (ca. 11 Mio. arbeiten in Saudi Arabien, das ist ein Drittel der Bevölkerung) nicht nur bis auf den letzten Platz vollbesetzt, sondern wohl auch überladen. Der Kapitän hat vor dem Abheben eher bewusst einen ruhigen Flug angekündigt, doch als wir über der arabischen Wüste sind, verbläst ein Sandsturm die relativ große Maschine, mir vergeht die Freude an einem neuen Clint Eastwood-Film und das Frühstück nach arabischer Art mit Fladenbrot hätte mir eh nicht geschmeckt.

Landeanflüge, wenn das Flugzeug meterweit von starken Winden seitlich weggetragen wird, sind für mich entbehrlich, andere wiederum finden das normal. Die Kontrollen bei der Einreise dauern an, lange Schlangen stehen vor rund 1 Dutzend Schaltern. Es werden die Finger (Daumen und vier Finger) und das Gesicht gescannt, das kennt man ja auch von anderen Terminals, aber hier wirkt es  irgendwie strenger. Nach dem Impfzeugnisbeleg fragt mich die nach arabischer Tradition ganz in schwarz gekleidete Frau mit Niqab am Kontrollschalter nicht, sondern nur nach meinem Vornamen.

Die Zeitdifferenz zu Dubai beträgt eine Stunde Guthaben, schon um 9 Uhr bin ich ready für einen Transfer in das ca. 30 km vom King Khaled International Airport entfernte Zentrum der 7,6 Mio. Einwohner zählenden Hauptstadt von Saudi Arabien. Doch vorher lasse ich mir am Emirates Schalter bestätigen, dass sich dzt. an den Einreisevorschriften nichts geändert hat, mein bestehendes Impfzeugnis genügt.

Es gibt in Riyad kaum einen öffentlichen Verkehr, also Busse, eine Straßenbahn oder eine Metro, man fährt mit dem (eigenen, oft protzigen) Auto. Aber sonst ist alles eher trostlos an diesem Vormittag. Man sieht keine 20 m weit, der feine Sand dringt auch durch meine blaue Covid-Schutzmaske, höherwertige FPP2-Masken kennt und verwendet man weder in Dubai noch in Saudi Arabien. Ich vereinbare mit einem wartenden pakistanischen Taxifahrer eine Fahrt um 100 Rial (1 Euro = 4,10 Rial) in die City zum für 3 Nächte gebuchten Vierstern-Voyage Hotel. Er  erwähnt, dass 1 Liter Benzin hier unter 20 Cents kostet. Der Freitag ist in arabischen Ländern sozusagen der Sonntag wie bei uns, der Taxifahrer sagt, dass jetzt um 10 Uhr vormittags noch alle schlafen. Die Einfahrtsstraße ist dementsprechend leer, es fahren nur wenige Autos in beide Richtungen der mehrspurigen Schnellstraße.

Ich checke bereits um 11:30 Uhr ein, drei Frauen in westlicher, moderner Kleidung sind an der Rezeption, nur eine von ihnen spricht passables Englisch. Sie erwähnt, dass man hier in Riyadh erst seit mehr und mehr Touristen ins Land kommen, blauen Augen wie meine zu Gesicht bekommt. Seit der saudische König Salman bin Abdul Aziz al Saud seine Macht an den nicht unumstrittenen Kronprinzen Khalid abgegeben hat, ist das große Land (2.149.690 km², 34,3 Mio. Einwohner) im Aufbruch zur Modernisierung. Wegen der schlechten Sicht und der angeblichen Gefährlichkeit des Feinstaubs empfiehlt mir die Rezeptionistin heute eher nicht mehr hinauszugehen. Doch das wird nicht gehen, denn laut Website werden nur heute, am 4. März, die Startnummern ausgegeben. Morgen am Renntag nicht mehr.

 

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Ein großes Manko war und ist, dass man auf der Veranstalter-Website keine präzisen Informationen (z.B. Koordinaten) vorfindet, wo genau die Expo gelegen bzw. lokalisiert ist. Ausländer können mit dem Hinweis, dass die BIB-Ausgabe nahe der King Khalid University erfolgt, wenig anfangen. Ich habe das Voyage Hotel wegen der ca. 2,9 km Entfernung zum vermeintlichen Startbereich gewählt, aber Google Maps schlägt eine Route durch den großen Park des Uni-Geländes mit vielen Instituten vor. Ich mache mich zu Fuß auf den Weg, die Sichtweite beträgt keine 20 m, die Belegfotos haben einen Braunton am Display. Alle Wegweiser sind in Arabisch, ich versuche mich durchzufragen, die ausländischen Gastarbeiter verstehen mich nicht, auch ein Taxifahrer kann kein Englisch. Ich komme zu einem Laden und versuche hier mein Glück. Ein älterer Mann, der gut Englisch spricht, bietet sich an, mir zu helfen. Er habe in Stanford seinen PD erworben, das sitzt. Aber es wird eine Irrfahrt in seinem gut 20 Jahre alten Peugeot, bis wir zum Uni-Hospital kommen. Ein Arzt glaubt zu wissen, wo die Expo ist, er habe heute schon sportliche junge Leute mit einer Tragetasche gesehen. Schließlich nähert sich uns ein Security-Fahrzeug, das der Arzt aufhält. Der Fahrer lotst uns zur Expo beim Mrsool Park, ich hätte alleine nie und nimmer dorthin gefunden.

Sollte der starke Wind auch morgen anhalten, könnte die Laufsportveranstaltung vielleicht sogar gecancelt werden. Der Chef bei der Startnummernausgabe verneint, man hätte sehr starke/schnelle Afrikaner/innen eingeladen, deren Antritt viel kostet und außerdem würde das Wetter morgen besser werden. Insgesamt ist nicht viel los bei der Expo, es gibt keinerlei Gratisprodukte, auch das Jutesackerl ist gähnend leer, die kleine Tube mit einem Desinfektionsmittel werde ich kaum beanspruchen. Das im zeitlich gestaffelten Startgeld (von 119, 149 und 199 SAR, letzteres also ca. 50 Euro) enthaltene einfache Funktionsshirt kann man probieren, diesmal wähle ich die Größe L.

Ich versuche ein Taxi zu organisieren, zwei Fahrer geben mir einen Korb, man fahre nicht dorthin. Ich komme mit zwei ebenfalls auf einen Taxidienst wartenden Frauen aus Manila, die morgen nur die 10 km laufen wollen, ins Gespräch. Sie erzählen, dass sie in einem staatlichen Krankenhaus arbeiten. Sie zahlen keine Steuern, seien voll versichert und bekämen auch das Quartier gratis. Sie rufen ein Uber-Taxi, wir bilden eine Fahrgemeinschaft. Zuerst geht es in ein großes EKZ, wo  sie aussteigen, dann ca. 10 km zurück zu meinem Hotel. Fahrpreis in Summe 25 Saudi Arabische Rial, also ca. 6 Euro.

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Die meisten Lokale rund um das Hotel haben heute zu, 1 km entfernt ist ein großer Hypermarkt. Wegen des frühen Starts um 6:25 Uhr (die Elite beginnt das Rennen bereits um 6:15 Uhr) falle ich um mein bezahltes Frühstück um, daher muss ich mich mit einigen Lebensmitteln eindecken. Ein Wasserkocher mit Kaffee und Tee sowie auch ein Kühlschrank befindet sich in dem mit 20 m2 extra großen Zimmer. Es wird eine kurze Nacht, Tagwache ist bereits um 4:00 Uhr.

Zum E-Book Trainingspläne für Läufer und Läuferinnen

Mein Renntag und der Verlauf

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Über die Hotelrezeption habe ich für 5:00 Uhr ein Taxi bestellt. Ein Franko-Algerier, den ich beim Einchecken getroffen habe und der auch beim Marathon starten wird, schließt sich an, wir teilen die Fahrtkosten von ca. 30 SAR (ca. 7 Euro). Es herrscht Hektik pur in der Früh, die Polizei ist angehalten, auch jene Straßen zu sperren, auf denen man mit Ortskenntnissen zum Start gelangt. So müssen wir einen Kilometer zu Fuß gehen, weil nur bis 5:00 Uhr ein Durchlass gewährt wird. Ich habe in meinem Jutesackerl einige Dinge gepackt, finde aber keine Kleiderabgabestelle. So verstecke ich es unter einem im Expo-Areal geparkten Service-Auto, in der Hoffnung, dass ich die Utensilien nach dem Marathon wieder vorfinden werde.

Zum Glück hat der Wind nachgelassen, die Fernsicht wurde schon in der Nacht klarer, es soll am Tag bewölkt bleiben und nicht mehr als 24 Grad C  warm werden.

Ich treffe Brent Weigner mitten in einer Gruppe Läufer/innen vom Verein „Globetrotters“, wo er auch Mitglied ist. Das Belegfoto für den Präsidenten John Wallace ist schnell gemacht, Brent fühlt sich mit seinen 72 Jahren unter jüngeren Leuten sehr wohl.

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Gestern habe ich mir auf einer Wandtafel im Expogelände den Kurs angesehen, der zwar groß und gut sichtbar abgebildet ist, aber alle Texte sind in Arabisch. Das Pendant auf der Website ist zwar in Englisch verfügbar, als pdf downloadbar, aber trotzdem zu klein auch in der größtmöglichen Darstellung am Display. Hier sollte der Veranstalter noch nachbessern, was die Informationsversorgung betrifft. Klar ist hingegen, dass wir beim Marathon zwei Runden laufen müssen und weil Riyadh auf einem Wüstenplateau 600 m hoch liegt, etliche Steigungen beim Rennen auftreten werden.

Die Halbmarathonläufer/innen (weiße Startnummer) werden wie wir Marathonis (orange Nummer) um 6:25 Uhr starten, die Elite geht 10 Minuten früher ins Rennen. Mein Ziel für heute ist klar definiert: innerhalb der Frist von 6:15 Stunden finishen, um so meinen 75. Marathonländerpunkt (nach der Zählmethode des Country Club, wo bspw. die Länder des Vereinigten Königreiches wie im Fußball einzeln gewertet werden) einzustreifen. Es ist – wie ich ja schon bei anderen Berichten auf hdsports.at erwähnt habe, zusehends schwieriger für mich geworden, unter 6 h zu laufen. Wegen der Knorpelschäden in beiden Knien kann ich nicht einmal mehr locker joggen wie früher mit 6 min/km, sondern versuche mit Gewichtsverlagerung und schnellem Gehen voranzukommen. Selbst wenn die Schmerzen überhand nehmen, besonders nach schweren 42,195 km, so habe ich am nächsten Tag schon wieder neue Pläne. Die Engländer würden von „Obsession“ sprechen, ich nenne es eine gewisse Leidenschaft statt Besessenheit.

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Ich begebe mich zum Start, Brent steht weiter vorne. Hinter mir erblicke ich ein weiteres Mitglied vom Country Club, nämlich Philippe Waroux, der auch schon 100 Länder verbucht. Nach einer kurzen Verzögerung geht es los, meine Garmin GPS-Uhr zeigt 7 min/km an, mehr ist für mich am Anfang eines Marathons an „Schnelligkeit“ nicht mehr drinnen. Die Massen stürmen nach und an mir vorbei, der Kurs geht ca. 1 km leicht bergab zur King Khalid Rd., eine Autobahn, die hier bei Kilometer 2 überbrückt wird.  Das bedeutet auch, dass wir dann auf beiden identen Runden einen Anstieg ins Ziel haben werden.

Die Strecke führt nun in nordwestliche Richtung, in den abgelegenen Außenbereich der City, vorbei an Wohnhäusern und kleineren Betrieben, die Autobahn ist nur einige 100 m entfernt. Kilometer 4 wird beim Autobahnkreuz King Khalid Rd. und Northern Ring Rd. erreicht. Ich versuche diesmal schon am Anfang eines Marathons Gehen und Laufen zu verbinden, aber ich verliere so zu viel Zeit, sodass ich davon wieder Abstand nehme.

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Alle 2,5 km sind Labe- resp. Versorgungsstellen angesagt, die zweite bei Kilometer 5 ist üppig bestückt, neben Wasser in Flaschen gibt es Berge von Chiquita Bananen, Datteln, in Zucker eingelegte Süßigkeiten wie man es im Klischee vom Orient so kennt. Obwohl die Sonne um 7 Uhr noch nicht herausgekommen ist, spürt man das trockene Wüstenklima, in dem der Körper viel Flüssigkeit verliert und man ihm daher neue zuführen muss.

Wir kommen zum Vorort Diriyya, bekannt für seine traditionellen Lehmbauten. Das dortige  revitalisierte Viertel Al Bujairi ist ein nur für Fußgänger zugängliches Labyrinth aus verwinkelten Gassen mit Handwerksläden und Cafés. Laut Reiseführer zählen zu den kulturellen Sehenswürdigkeiten das Diriyah Museum, ein ehemaliger Palast mit einer Ausstellung zur saudischen Geschichte, und die restaurierte Al-Zawihra-Moschee.  Allerdings führt der Kurs nicht direkt dort vorbei, so sehen wir die Sehenswürdigkeiten erst gar nicht.

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Überall herrscht baulicher Hochbetrieb, die neue Staatsführung will das Land in eine moderne Zukunft führen, Hunderte Bauarbeiter aus muslimischen Nachbarländern sind am Weg zur Arbeit und starren die Läufer mit Unverständnis an. Ich habe beim Dubai Marathon 2017 einen Arbeiter aus Bangladesch, der an Abend einen großen Sack voller Reis in seine Gemeinschaftsunterkunft nahe der Mall of the Emirates schleppte, gefragt, was er an einem 10-12-Stunden Arbeitstag verdient – es waren keine 20 US$.

Die Musikgruppe in farblich unterschiedlichen Anzügen, die nun für uns aufspielt, ist eher als untypisch für Land und Leute zu beurteilen, im Vorbeilaufen geht sich aber ein Belegfoto aus.

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Zwischen Kilometer 7 und 8 ist eine Schleife eingebaut. So kommt es zu einer Begegnungszone, man grüßt sich und winkt beidseitig rüber. Ich bin echt überrascht, dass noch Hunderte vor allem Halbmarathonis hinter mir sind. Zum Knipsen ist so eine Stelle ideal, man bekommt die Läufer/innen gut ins Bild.

Die Strecke führt nach Osten, es beginnt ein langer Anstieg auf die Prince Mohammed Ibn Salman Ibn Abdulaziz Rd. Die  meisten Läufer/innen bewältigen die Steigung im Gehen, das kostet aber Zeit. Knapp vor der 10 km-Marke kommen Einsatzfahrzeuge heran, die die führenden Eliteläufer bei den Herren ankündigen. Es sind ein halbes Dutzend Schwarzafrikaner, die superschnell unterwegs sind und vorbeizischen. Ich hoffe auf gute bzw. aussagekräftige Schnappschüsse.

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Wenn man von der Autobahn heruntersieht, sind rundherum riesige Baustellen zu erblicken, gigantische Starkstromleitungen durchziehen das Land. Nun dreht der Kurs nach Süden, von Kilometer 11 bis 13 bewegen wir uns entlang der Prince Turki Ibn Abdulaziz Al Awwal Rd. durch städtisches Gebiet. Jetzt kommen die farbigen Elitefrauen nach, angeführt von zwei Männern als Pacer. Ihr geschätztes Tempo liegt bei 3:30 min/km. Schon toll, wie schnell diese Superläuferinnen unterwegs sind.

Erneut dreht die Strecke, es geht ab Kilometer 13 nach Osten. Wir sind fernab vom innerstädtischen Zentrum von Riyadh, es wäre wohl sehr aufwendig gewesen, den Verkehrsfluss einer so großen Stadt für mehr als einen halben Tag abzuwürgen. Daher kann man behaupten, dass die Marathonstrecke hier bisher wenig zu bieten hat, was bauliche Attraktionen betrifft. Sie verläuft sozusagen im Hinterland.

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Einige Cheerleaderinnen versuchen die Stimmung anzuheben, doch bisher gab es außer den Hunderten ausgelaugten Gastarbeitern am Gehsteig, die zu ihren Baustellen trotteten, keine Zuschauer entlang der Strecke.

Ich unterhalte mich mit einem Japaner, der mit einem Kniestrumpf wie ich läuft. Es geht ab Kilometer 15, den ich noch unter 2 h erreiche, auf der Al Takhassousi wieder in südliche Richtung entlang von Wohn- und Industriegebiet. Der Japaner ist skeptisch, heute die zeitlichen Vorgaben erbringen zu können. Ein Grund für mich, ihn alsbald zu überholen. Ich treffe auf einen einheimischen Marathonläufer, der sich beklagt, dass seine Beine nach nunmehr 17 km schon so schmerzen. Aber nun kommen wir zu einem Aushängeareal, der Digital City von Riyadh „as  the optimal destination for forward-thinkers and urban-living enthusiasts“, wie er als IT-Techniker im Staatsdienst mit Stolz erwähnt. Es geht in einer Schleife durch den technikaffinen Stadtteil, um dann nach einer kurzen Abwärtspassage die verbleibenden 1 ½ km zum Ziel ansteigend zu schaffen. Gut haben es die Halbmarathonfinisher/innen, sie können sich entspannen, für mich geht es leider mit etwas Verspätung (mit ca. 5 min von der erhofften 2:50er-Zeit für den Halben) in die 2. Runde.

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Jetzt heißt es aufholen, um nicht noch mehr zurückzufallen. Das gelingt zunächst einigermaßen. Ich habe nun auch mehr Ambition, abweichend vom Kurs zu knipsen. Ansporn dafür sind bauliche Werbetexte auf Tafeln wie z.B. „Over 100 Places to Dine and Celebrate“. Bei Kilometer 30 nach dem Anstieg auf die Prince Mohammed Ibn Salman Ibn Abdulaziz Rd. sind die ehrgeizigen Zukunftspläne bis 2030 des Monarchen mit folgenden Vorhaben und Sujets auf Tafeln dargestellt: Bau der Metro, 135 km Radwege (durch die Wüste), 134 km Horse Riding Trails u.a.m.

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Als der eine oder andere vor Müdigkeit eine Pause einlegt, steigt meine Zuversicht, es heute unter 6:15 h zu schaffen. Mit 8:30 min/h hole ich mehr als ein Dutzend Kollegen ein. Aber dann kommt uns ein Auto nach, dessen Beifahrer jedem einzelnen auf der Strecke Befindlichen erklärt, das Rennen sei zu diesem Zeitpunkt für all jene vorüber, die die Kilometermarke 36 noch nicht erreicht haben. Mir fehlen dafür nur 300 m – die Tafel ist in Sichtweite – und die GPS-Uhr zeigt einen Messstand unter 5:30 an (zudem 3 Minuten Abzug wegen des früheren Aktivierens der Uhr). Offenbar wurden alle Nachfolgenden von der Zeitnehmung „ausgeklickt“. Uns wird erklärt, dass wir gerne weiterlaufen können, um den Lauf zu beenden. Die Strecke werde erst in 2 Stunden wieder für den Verkehr geöffnet. Ich komme mit Abdulaziz zu sprechen, er ist 31, es ist sein 1. Marathon. Als Einheimischer wollte er in LA 2020 laufen, aber wie vielerorts wurde dieser Lauf gecancelt. Abdul erzählt, dass er in einem halben Jahr heiraten und er die Medaille seiner Verlobten schenken will. Auch sein Vater sei früher (heute 68 und so alt wie ich) gelaufen, er will diesen Marathon auch für seinen an Arthrose leidenden Vater schaffen, damit die ganze Familie auf ihn stolz ist.

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Ich erkläre ihm, dass wir nun mit ganzer Kraft auf dieses Ziel zusteuern müssen und hoffen, dass die Zeitnehmung bei Kilometer 40 und 41,195 noch in Betrieb ist. Wir überholen auf den letzten Kilometern noch einige Kollegen, auch zwei Frauen. Ich lasse Aziz den Vortritt, der Moderator applaudiert laut, die Uhr läuft, der Fotograf macht Zielfotos und wir bekommen beide eine schöne Medaille. Aziz ist sichtbar überglücklich, er lässt sich von seinem Cousin abholen und bietet mir eine Mitfahrgelegenheit zum Voyage Hotel an. Ohne mich hätte er heute das Ziel nicht erreicht, sagt er, er sei mir unendlich dankbar. Wir verabschieden und tauschen die Mailadressen aus.

Aziz und Anton beim Riyadh Marathon

Als ich dann am Abend die Ergebnisliste anschaue, scheinen wir beide und 3 Dutzend andere nicht mit einem Resultat auf, unser Lauf wird nur bis Kilometer 35 gewertet. Eine Mailanfrage mit Beleg der GPS-Daten wird bis dato nicht beantwortet. Warum auch, der Veranstalter hat sehr strikte Zeitkriterien vorgegeben, die überschritten wurden. Aus, Basta.

Ich hoffe, dass mir Aziz, aufstrebender Jungrechtsanwalt in Riyadh aus einer angesehenen Familie, nicht auf Lebenszeit böse ist. Ich hätte ihm und mir die laut GPS am Handgelenk erbrachte, aber nicht mehr gewertete Finisherzeit um 6:30 gegönnt.

Mein Fazit:

Die Veranstalter müssen und werden dazulernen, wenn sie international ausgerichtet bleiben wollen. Der Marathontourismus ist zu einem wachsenden Wirtschaftszweig geworden, es geht längst nicht mehr um die Laufzeiten, sondern um das Erlebnis verbunden mit Sightseeing und Erholung in Begleitung Angehöriger. Darum ist der Rom Marathon 7 Stunden offen, New York oder Läufe in asiatischen Ländern sind es noch länger.

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Loben möchte ich den Veranstalter, was die Versorgung und Straßensperre betrifft, das war vorbildlich. Kritik üben aber an der mangelnden Informationsversorgung mittels Website, die mehr als dürftig ist. Insgesamt kann man den Marathon aber empfehlen, wenn man hitzeresistent ist – wir hatten Glück, bei nicht bedeckten Himmel brennt die Sonne in der Wüste auf den Kopf, man kann so rascher dehydrieren.

Weitere Fotos vom Riyadh Marathon

Siegerliste bei den Herren (Eite):

1. Tadese Tsegaye Getachew (ETH) – 2:06:22

2. Shiferaw Andualem (ETH) – 2:06:23

3. Kiptum Barnabas (KEN) – 2:07:30

Ranking bei den Frauen (Elite):

1. Nare Tadu Teshome (ETH) – 2:26:32

2. Workenesh Edesa (ETH) – 2:26:48

3. Mekhaschah Waganesh (ETH) – 2:26:55

Gesamtfinisheranzahl beim Marathon: 553 (478 Männer, 75 Frauen)

Weitere Informationen zum Riyadh Marathon


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