Als Marathonländersammler habe ich den Dubai Marathon bereits im Jahr 2017 einkassiert.
Die Kollegen vom Country Marathon Club waren wie ich von der flachen, schnellen und schönen Strecke vorbei am Burj al Arab mit Blick auf die Skyline und Jumeirah Beach begeistert. Für die diesjährige 22. Auflage hat der Veranstalter genau diese Vorzüge auf der Website angeführt. Mika-Timing sah wohl deshalb das hohe Startgeld von 150 Euro für angebracht.
Einige Tage vor dem Rennen erhielten dann alle Teilnehmer/innen eine Mailaussendung, dass der Marathon heuer erstmals bei der Expo am Rande der Wüste stattfinden würde. Ich war 2020 2x als Besucher dort, bin mit einem Taxi vom Abu Dhabi Marathon rauf gefahren, die Zufahrtsstraßen wurden aus dem Wüstenboden gestampft. Und rund um das Expo-Gelände wurden Wohneinheiten für Familien errichtet. So wollte man diese öde Gegend besiedeln und für die Zeit nach der Expo nutzen. Ein möglicher Grund für die Verlegung des Kurses mag auch sein, durch den Marathon die Weltausstellung mit den vielen inzwischen leer stehenden Pavillons in Erinnerung zu rufen.
Viele Läufer/innen haben daher ihr Quartier nahe dem alten Startbereich, wie ich 6 Nächte im Courtyard Marriot im Al Barsha-Viertel, gebucht. 2017 bin ich mit einer finnischen Gruppe zu Fuß von dort ca. 2 km vorbei an der Polizeiakademie zum Start spaziert. Und jetzt diese Verlegung der Veranstaltung quasi auf Ausfahrtsstraßen in der Wüste. Allerdings muss man positiv erwähnen, dass allen Läufern und Läuferinnen eine Gratisfahrt mit der Metro zum Start im Expo-Gelände eingeräumt wurde – somit war das Quartier, das man eh immer nahe dem stets mit Gastarbeitern überfüllten und im Schneckentempo automatisch fahrenden Verkehrsmittel in einem der bekannten Viertel in der Millionenstadt Dubai wählt, nicht mehr ein hemmendes Kriterium.
Mir kam der Lauf in Dubai deshalb entgegen, weil ich ihn vor dem Antritt einer Kreuzfahrt einfach mitnehmen wollte. 2017 war ich wegen der schnellen Strecke gut unterwegs, bei Kilometer 38 km lag ich bei ca. 4 h, musste aber dann wegen eines Krampfes im Oberschenkel die letzten Kilometer zum Ziel hatschen, die Finisherzeit lag wenige Sekunden über 5 h.
Anreise mit Emirates
Dass Emirates den Airbus A380 dzt. nicht mehr einsetzt, mag aus Kostengründen geschehen sein – ein voller Tank kostet ca. 170.000 Euro. Das rentiert sich auch bei bester Auslastung nicht. Ich habe erst wieder seit meiner Pensionierung im Mai 2018 längere Flugreisen unternommen und bei allen Afrika- und Asiendestinationen zu Marathons immer Emirates gebucht, bei den Hin- und Rückreisen 1-2 Tage Kurzaufenthalt in Dubai eingeschoben. Ein Flug mit dem vierstrahligen Mega-Jet war und ist ein Erlebnis für sich. Jetzt muss man von Wien aus mit der Boing 777 Vorlieb nehmen, von denen Emirates mindestens 100 Maschinen in Betrieb hat. Unangenehm ist der Umstand, dass ich noch vor einem Jahr für Wien-Dubai und zurück oft nur zwischen 500 und 600 Euro bezahlte. Die Fluglinie hat die Preise deutlich angehoben, 960 Euro wurden diesmal für einen Economy Flex-Tarif von meinem Konto abgebucht.
Nicht nur die Flüge nach Dubai mit Emirates wurden teurer, auch die Vierstern-Hotels, die man vor einigen Jahren tlw. noch um 70 oder 80 Euro pro Nacht bekam, haben deutlich angezogen – 6 Nächte im Courtyard Marriot mit Frühstück kosten knapp an die 700 Euro.
Ich nehme am 9. Februar wie auch sonst immer den Emirates-Tagflug um ca. 15 Uhr von Wien, der kurz vor Mitternacht in Dubai landet. Hunderte Touristen drängen zur Passkontrolle. Bei den vielen ankommenden Maschinen aus aller Welt zwischen 23 und 02 Uhr dauert es lange, bis man die Einreisekontrolle passiert hat. Manchmal hat man Glück und einer der Serviceleute hat die Sperren nicht abgeschlossen, dann heißt es schnell handeln und flugs ist man beim Einreiseschalter. Von Vielreisenden, die regelmäßig Dubai besuchen, wird im Computer ein Profil angelegt, das alle Daten der Person inkl. Augenscan enthält. Dadurch beschleunigt sich die Abfertigung. Bisher habe ich die gratis nach der Passkontrolle ausgehändigte Sim-Karte noch nie benutzt, ob man dann günstiger nach Europa und Übersee telefonieren könnte, müsste ich erfragen.
Die Taxifahrt in das Al Barsha-Viertel dauert 30 Minuten, ich bezahle 96 Dirham (1 Euro = ca. 4 Dirham). Da die Dubai-Metro nur bis Mitternacht fährt, versäumt man sie fast immer wegen des langen Einreise-Procedere.
Tag 2 in Dubai
Die Startnummer wird seit Tagen im adidas-Shop in der Dubai-Mall ausgegeben. Von der Mall of the Emirates, wo sich das Courtyard Marriot Hotel befindet, sind es nur 3 Stationen bis zur Ausstiegsstelle. Tausende Besucher strömen täglich in dieses mit einer Verkaufsfläche von 350.000 Quadratmetern ein Shoppingcenter der Superlative und das größte in den Emiraten und vielleicht auch der Welt. Mir ist in den Jahren aufgefallen, dass hier „Einkaufen schauen“ – wie man in Wien sagt, wenn jemand nur gustiert – dominiert, wie überhaupt die Touristen nur für kurze Zeit nach Dubai kommen und mit dem Smartphone im Anschlag ihren Tag auf den sozialen Medien dokumentieren. Gerne kommen auch die Infuencerinnen in die Hauptstadt der Vereinten Emirate, die mit ihren aufgeblasenen Lippen und Botoxfüllungen in Stirn, Wange, Kinn und wo sonst noch einen Modetrend kreiert haben.
Ich war 2x oben im Burj Khalifa, dem 2010 eingeweihten und 828 m hohen Wolkenkratzer der angeblich nicht mehr der höchste der Welt ist. Die Aufzüge bringen die Besucher/innen in wenigen Minuten nach oben, allerdings nur bis in den 124 und 125. Stock von insgesamt 163 Etagen. Oben hat man im leicht schwankenden Turm eine 360-Grad-Aussicht, kleinere Gebäude, Autos, Menschen auf der Straße erscheinen wie Punkte. Tickets kann man direkt und online kaufen, sie kosten zwischen 40 und 50 AED.
Von der Station geht man mindestens 1 km in die Mall, wer zum Burj Khalifa will, sollte direkt runter auf die Straße gehen, von der Mall kommt man nur als Insider ohne sich durchzufragen zum viel bestaunten Gebäude, das auch – von unten – ein beliebtes Fotomotiv ist.
In der Dubai Mall gibt es zahlreiche Sehenswürdigkeiten, die ich kenne und an denen ich am Weg zum Adidas-Shop vorbei gehe wie den Airbus A380 Flugsimulator, die Eislaufbahn (Ice Rink) und den Waterfall über 2 Stockwerke. Den Einkaufstouristen wird so viel Show geboten.
Es herrscht am Freitag beim offiziellen Marathonstand kein Gedränge, ich bekomme gleich nach Vorweisen der Registrierungsbestätigung die Startnummer im Sackerl. Das in XL vorbestellte adidas-Funktonsshirt erweist sich als zu groß, bereitwillig bietet man mir einen Umtausch auf Größe L an. Auf meine Frage an eine Vertreterin von Mika-Timing antwortet diese, dass nicht ihre Firma die Verlegung sehr kurzfristig angeordnet habe, sondern der Scheich persönlich. Man habe schon viele Beschwerden erhalten, könne aber nichts dagegen unternehmen. Eine ehrliche Antwort, hoffentlich werden wir bei zu erwarteten Temperaturen um 28 Grad zu Mittag nicht „verglühen“.
Tag 3
Die Mall of the Emirates, 200 m von meinem Hotel entfernt, ist zwar nicht so überdimensioniert wie die Dubai Mall, aber sie hat eine ganz besondere Familienattraktion: Ski Dubai mit einem 85 m hohen, künstlich angelegtem Berg für den Indoor-Schilauf. Man kann sich die gesamte einheitlich aussehende Ausrüstung auch fürs Snowboarden ausleihen oder im Shop kaufen. Die Eintrittspreise ohne Verleihspesen liegen bei 120 AED, ca. 30 Euro. In der 2. Etage kann man durch Fensterscheiben den vorwiegend Jugendlichen beim Stemmbogenfahren zusehen. Für Wintersportbegeisterte auf einem höheren Niveau ist eine 400m-Piste zu kurz, aber probieren sollte man es vielleicht doch einmal.
Nach meinem Lebensmitteleinkauf beim Carrefour – diese französische Kaufhauskette ist in allen Malls und im arabischen Raum vertreten ist, bringe ich die Sachen ins Hotel. Den Tag verbringe ich am öffentlich zugänglichen Strand beim Hilton The Walk. Man steigt bei den DCC Towers aus und spaziert ca. 1 km hin zur Seaside. Dort ist ein Hotspot für Badetouristen. Ich habe zu Ostern vor Jahren einmal mit der Familie im Hilton dort 5 Tage in einem Appartement im 28. Stock gewohnt, der Anlass war der Studienabschluss der Tochter in Rechtwissenschaften. Wir haben nur für die Übernachtung 1800 Euro abgelegt, wie man weiß, kann man auch deutlich kostengünstiger in Dubai Urlaub machen.
Renntag
Ich stelle um 23:00 Uhr den Handywecker auf 3:00 Uhr morgens, 4 h Schlaf sind wenig, aber sollten ausreichen. Wegen der Zeitdifferenz von 3 h läutet die Uhr um 12 Uhr Mitternacht nach heimischer Zeit. Die Zutaten für das Frühstück habe ich mir ja gestern besorgt – dank des Wasserkochers im Zimmer kann ich mir weichgekochte Eier gönnen, Milch aufwärmen und ein Nescafe-Päckchen dazugeben. Es gibt Speck, Käse und Marmelade aufs Weißbrot. Kleine Honiggläser habe ich mir beim Frühstück im Hotel abgezwackt, jetzt mische ich das Joghurt damit auf. Ich decke mich auch in guten Hotels immer ausreichend mit Lebensmitteln ein, eine gewisse verfügbare Auswahl dient der Gaumenfreude.
Um 4:10 Uhr treffe ich in der Station Mashreq, vom Hotel etwas näher als die Haltestelle Mall of the Emirates, Country Marathon Clubkollegen Thomas Godlewsky aus Saarbrücken, mit 65 Ländern im guten Mittelfeld der Statistik gelegen. Er erzählt, dass er heuer bis zu 13 weitere Länder einplant und bis zum Sechziger in 2 Jahren den Hunderter geschafft haben will. Es wird im Club immer mehr Usus, dass Marathons im Ausland, um das Länderkontingent zu erhöhen, von einer kleinen Gruppe selbst veranstaltet werden. So hat Thomas voriges Jahr bei der Southern Hemisphere Challenge mit je einem Marathon in Colonia/Uruguay, Buenos Aires/Argentinien, der Antarktis und anschließend Puntas/Chile teilgenommen. Marathonreiseveranstalter Z-adventures, geleitet von Clubmitglied Zyad Rahim, verlangte für diese Tour satte 10.000 Euro.
Mehr und mehr Läufer/innen steigen auf der eine halbe Stunde dauernden Fahrt zur Endstation der roten Metrolinie zu. Gegen 5 Uhr morgens sind wir dann dort, es ist noch finster. Es hat den Anschein, als würden sich fast nur ausländische Ländersammler hier in der Südhalle eingefunden haben. Die einheimischen Starter werden vielfach mit dem Privat-PKW herfahren oder sich chauffieren lassen.
Man kann seinen bei der Startnummernabholung ausgehändigten Kleiderbeutel mit Namensetikette aus dem in Europa nicht mehr verwendeten PVC-Material abgeben. Ich habe heute einen sehr leichten Tragerucksack dabei, der eine 0,5 l Plastikflasche mit Red Bull verdünnt enthält. Das ist eine reine Vorsichtsmaßnahme, denn beim Abu Dhabi Marathon gab es in der 2. Runde bei sehr hohen Temperaturen keinen Wassernachschub. Ich habe weggeworfene Flaschen vom Boden aufgehoben, um vielleicht noch einen Tropfen zu ergattern.
Zuerst wird verlautbart, dass wir mit den vor der Halle stehenden Bussen zum nahen Start gebracht werden, doch dies erweist sich als Irrtum. Mit Thomas an der Seite schließe ich mich den im Dunkeln dahin trabenden Vorderleuten an. Eine Spitzengruppe von Kenianerinnen und Kenianern überholt uns, sie laufen sich ein. Ich treffe Bernhard Keiler aus Wien, er ist der Vorsitzende des 100 MC Austria und hat mich nach meinem Ausscheiden vor Jahren sozusagen beerbt. Börni war in jungen Jahren ein sub 3 h-Finisher bei Marathons, jetzt in der Altersgruppe M-65 sind für ihn sub 5 h immer noch die Regel. Er wird heute sein Länderkontingent auf 35 erhöhen.
In vergangenen Jahren waren 2000 Starter/innen registriert, diesmal sind es um geschätzt 500 weniger – das sieht man auch in der Dunkelheit. Der Veranstalter informierte nach der Verlegung der Strecke offiziell nicht über die Beschaffenheit des neuen Kurses. Auf dem schematischen Flash-Plan ohne genaue Angabe der Straßenbezeichnungen konnte man erkennen, dass der Marathonkurs in einer Schleife im Expo-Areal begonnen wird, bevor es dann im Investment Park auf einen gesperrten mehrspurigen Highway ins Gelände hinausgeht, nach der Wende verläuft die Strecke auf der gegenüberliegenden Straßenseite wieder zur Expo zurück.
Aus Erfahrung weiß ich, dass mit meiner kleinen Sony-Digicam WX350 bei Dunkelheit leider nur unscharfe Fotos zustande kommen, Abhilfe würde nur ein Stativ und manuelle Auslösung bringen. Aber welcher Läufer operiert mit Zusatzequipment bei einem Marathon, für Schnappschüsse wird heutzutage zumeist das Smartphone verwendet, das bessere Fotos als ein einfacher digitaler Fotoapparat liefert.
Ich stelle mich in die Mitte des Starterfeldes, so habe ich die Gewissheit, dass für einige Minuten rund um mich viel Bewegung ist bis dann nur mehr einige wenige hinter mir liegen werden, die so langsam wie ich vorankommen, dies von der ersten Minute an.
Die Sonne ist noch nicht aufgegangen, die Morgendämmerung wird aber bald abgelöst werden, lichtschwache Objektive legen bei solchen diffusen Verhältnissen einen Grauschleier um das Motiv. Als ich zur 3 km-Anzeige komme, erblicke ich an der anderen Straßenseite, getrennt durch einen Grünstreifen, einen Pulk von Läufern und Läuferinnen, die im Zuge der zunächst nur kurzen Schleife wieder kehrt machen. Bei Kilometer 5 ist die Wende, es geht nun zurück aber nicht zum Start, sondern um die Expo. Bei der Versorgung stehen 2 Dutzend freiwillige Helfer/innen, die mit lauten Zurufen wie „You can do it“ oder „Good job“ die Motivation bei den Läuferinnen und Läufern anheben sollen. Es sind ausschließlich Jugendliche, die sich für diese rein ehrenamtliche Tätigkeit gemeldet haben. Die entsprechende Bekleidung dazu gibt’s gratis, damit man sie als Servicepersonal erkennt.
Was wäre ein Marathon, wenn nicht der eine den anderen zu überholen versuchte? Ein junges, viel zu warm angezogenes Mädchen probiert es bei mir, sie kommt aber nicht weg, bei Kilometer 8 bleibt sie dann zurück. Der Sonnenaufgang im Osten, wohin die Rennstrecke nun bis zur Wende bei Kilometerpunkt 24 führen wird, sorgt für starkes Gegenlicht. An den Belegfotos wird man dies gut erkennen.
Ich habe heute die Kappe vom Riad Marathon 2022 aufgesetzt, nur so kann man sich gegen die direkte Sonnenstrahlung auf den Kopf bei einer stetig ansteigenden Temperatur auf angesagte 28 Grad C etwas schützen.
Es ist lange her, dass ich beim reinen Jogging die 10 km in 60 min gelaufen bin. Mit den Knieproblemen sind es leider 80 - 90 min, die ich dafür benötige. Heute zeigt meine Garmin 1:26 min an, das würde passen.
Die Strecke führt am 10 km-Start vorbei, der Lauf wird um 8:00 Uhr beginnen. Der Englisch sprechende Platzsprecher schreit enthusiastisch ins Mikro, in den arabischen Ländern ist die Ausrichtung von Sportveranstaltungen fest in den Händen ausländischer Organisatoren bzw. Agenturen. Die Lebensgefährtin von Börni hat sich für den Zehner angemeldet. Ich wünsche ihr in Gedanken ein gutes Rennen.
Für mich geht es jetzt auf die Sh. Zayed bin Hamdan Al Nahyan Street, von der aus man zur Expo Road E77 gelangt, das sehe ich an den grünen Autobahntafeln. Es bleibt zu hoffen, dass die vielspurige Autobahn heute hoffentlich länger als 6 h von Beginn des Laufes über die klassischen 42,195 km an gesperrt ist.
Nach kurzer Zeit sehe ich knapp vor der 14 km-Tafel auf der anderen Seite bereits die kenianischen Eliteläufer zurück ins Ziel rennen, sie sind pfeilschnell unterwegs, denn meine Uhr zeigt eine bisherige Laufzeit von unter 2 h an. Hinter mir sind nur mehr geschätzt 2-3 Dutzend, es kommt zu Überholungen, zumeist laufe ich auf andere auf, denen die langgezogenen Steigungen und die aufkommende Hitze schon jetzt arg zusetzen. 15 km schaffe ich in (leider urlangsamen) 2:10 h, die Halbmarathondistanz noch unter 3 h zu erreichen, wird nicht möglich sein. Ich spekuliere, dass der Marathon länger als 6 h offen sein wird, auch wenn dies nicht auf der Website erwähnt ist – die einzutragende Zielzeit endet bei 6 h – 5:55 habe ich angekreuzt.
Von weitem erkenne ich Ritchie Holmes (Starnummer 1632) aus den USA, wie immer mit Singlet bei jedem Wetter unterwegs. Hinten am Shirt ist die Anzahl seiner Länder (120) und Marathons (800) aufgedruckt. Er war der 1. Präsident der Globetrotters, ein Parallelclub zum Country Club. Ich begrüße ihn und schildere ihm meine Probleme mit den Knien – in früheren Jahren stürmte Ritchie (mittlerweile über 70) wie „verrückt“ bei Marathons drauflos, wurde dann aber immer eingeholt. So ist es auch heute, bei Kilometer 18 überhole ich ihn dann. Neue Perspektiven ergeben sich für mich als er berichtet, dass er mit seinem neuen Knie links bereits 45 Marathons gelaufen ist, halt langsam, aber es hält. Die Regenerationsphase dauerte ca. ein halbes Jahr.
Links und rechts der Sh. Zayed bin Hamdan Al Nahyan Street sieht man die Wüste, wo eifrig Siedlungshäuser gebaut werden. Ich war 2 x im Juli in Dubai auf Zwischenstopp. Es hatte 50 Grad Lufttemperatur, beim Hilton The Walk saßen auf den blauen Liegebetten 3 oder 4 Russisch sprechende Gäste, das Meer war so warm, das keiner drinnen badete. Fische können bei dieser Temperatur nicht überleben. Daher die Frage: wie werden Immobilienfirmen als Investoren dafür gewonnen, dass sie zukünftigen Wohnungssuchenden diese Lagen in praller Sonne aufschwatzen? Erst wenn die Wüste Grünflächen durch ausreichende und kontinuierliche Bewässerung erhält, wird die Lebensqualität besser. Aber ich würde hier umsonst keinen Dauerwohnsitz begehren.
Die Versorgungspunkte befinden sich alle 5 km, es gibt Wasser in Flaschen zu 0,2 l, bei Kilometer 15 gab es auch ein Isogetränk. Meine GPS-Uhr zeigt bei Kilometerpunkt 20 eine bisherige Laufzeit von 2:55 h an. Daher wird sich der Halbmarathon nicht mehr unter 3 h ausgehen, die vielen Anstiege kosten Kraft. Wie schön war doch die frühere Strecke bei der Jumeirah Beach und dem Segelhotel als beliebtes Postkartenmotiv?
Nun geht es auch für mich zurück, bei Kilometer 23 passiere ich weitere Langsam-Walker, die sich bestens unterhalten und gar nicht um die Laufzeit kümmern. Die Zeit zeigt 3:44 für die 25 km an. Aber nun spüre ich wie meine Kräfte jäh nachlassen, gut, dass ich eine Kopfbedeckung habe. Bei Kilometer 30 sitzt ein Läufer am Asphalt, seine Begleiterin versucht ihre Beinmuskeln und Sehnen durch Stretchübungen zu lockern. Sie bleiben ebenso wie ein Dutzend andere vorher hinter mir.
Von der 30-Kilometer-Anzeige bis zur 35er-Marke kommt mir die ansteigende Strecke, deren Gefälle man am Morgen nicht so bemerkt hat, irr schwer vor. Zunächst überhole ich Zoe aus Irland – viele Läufer/innen haben das Gratisangebot genutzt, um ihren Vornamen auf der Rückseite des Marathonshirts aufzubügeln, daher weiß ich ihren Namen. Sie erklärt, dass alle, die finishen, eine Medaille bekommen würden, aber ob eine Finisherzeit über 6 h gewertet wird, glaube sie eher nicht. Schade, denke ich, ich hätte schon gerne eine Verifikation für meinen 440. Marathon inkl. ein halbes Dutzend Ultraläufe über 50 km.
So kämpfe ich trotz der Schwächen tapfer weiter, aber siehe da, Ritchie Holmes kommt verbissen näher und zieht langsam aber beständig an mir vorbei – kann mich nicht erinnern, dass ihm das vor 10 Jahren je gelungen wäre.
Erst bei Kilometer 36 geht’s wieder ins Expogelände zurück, Zoe hat plötzlich neuen Auftrieb bekommen, genauso wie eine Chinesin, die mich aber beim Smalltalk aufklärte, dass sie ja US-Amerikanerin sei. Selten hat sich ein Marathon so gezogen, wie die letzten 5 km hier bei einer verwinkelten Streckführung ins Ziel. Die gleisende Sonne im Rücken und am Hinterkopf, dann wieder im Gesicht, zwar durch die Kappe etwas verdeckt, aber die Hitze kommt trotzdem durch. Und zu meinem Ärgernis zeigt die GPS-Uhr bei jeder Kilometermarke schon von Anfang an immer ca. 300 m zu viel an (oder doch nicht?).
Als ich ins Ziel mitten in der Expo mit schönen Tafeln dekoriert, fast festlich könnte man sagen, nur für den Fotografen trabe, gilt meine erste Frage an den Helfer, der die Medaillen ausgibt, ob man den Lauf werten würde – „of course, yes…“ Das höre ich gerne, jetzt kann man die Strapazen wieder vergessen, doch die Knieschmerzen links halten an. Eine Naprobene-Tablette habe ich in der Bauchtasche, ich nehme sie sehr selten, aber sie betäuben neuronal die Schmerzempfindung.
Zunächst finde ich die Halle, wo ich am Morgen meinen Kleiderbeutel abgegeben habe, nicht, die pakistanischen Helfer können keine Auskunft geben. Erst als ich einen Typ mit dem Beutel sehe und sofort anspreche, weist dieser mir den Weg. In der Halle treffe ich nochmals Ritchie Holmes. Er lacht mir entgegen und fragt, ob wir uns wie 2018 in Simbabwe heute vielleicht auch wieder am Flughafen zufällig treffen würden. „No, certainly not, I’ll stay in Dubai some days longer and have booked a cruise. Have a safe trip home!”
Alle Läufer mit sichtbarer Startnummer haben einen Gutschein, den man bei Ankunft wieder aushändigen muss, erhalten. Auch jetzt um 14 Uhr stehen beim Zutritt zu den elektronischen Metrozugangsschranken in der großen Expohalle Helfer, die mir nach der Bon-Übergabe eine separate Tür öffnen.
Ein arabisch aussehender Typ Mitte 30 mit dem Vornamen Vivesh auf der Startnummer spricht mich an und bedankt sich bei mir – ich sei sein Retter gewesen, er habe mich im grünen Sportdress mit passenden Asics-Laufschuhen ebenfalls in grün als Anker auf der anderen Straßenseite wahrgenommen. Ich sei so beständig „dahingelaufen“, dass er mich zum Vorbild genommen habe, nicht aufzugeben. Ich glaube zwar nicht an meine Mission, aber warum sollte ich ihm das ausreden, war er doch alleine für das Finish verantwortlich.
Ein sehr kurzes Fazit
Für mich entpuppte sich der Streckenwechsel als große Enttäuschung, schwieriger Kurs mit vielen langen Anstiegen, dazu die Hitze deutlicher zu spüren als am Meer. Die gute Wasserversorgung ist positiv zu erwähnen, feste Nahrung hat es nicht gegeben. Reste von Datteln entdeckte ich auf einer Mauer abgelegt, sie dürften von Privaten ausgegeben worden sein.
Da offenbar der bisherige Hauptsponsor abhandengekommen ist, hat auch die Finishermedaille deutlich sichtbar an Wertigkeit verloren. Wie schön ist doch jene, die mit mehreren Dutzend anderen bei mir zuhause im Vorzimmer hängt!
Die neue Strecke des Dubai Marathons ist eine echte Herausforderung, Ländersammler müssen sich da halt durchbeißen.
Siegerliste Männer:
1. Olika Adugna Bikila (ETH) – 2:06:15
2. Eric Kiprono Kiptanui (KEN) – 2:06:17
3. Tsedat Abeje Ayana (ETH) – 2:06:18
14 Eliteläufer, von 2:06 bis 2:17; 1128 Finisher ohne Eliteläufer
Frauen-Ranking:
1. Worknesh Degefa Debele (ETH) – 2:19:38
2. Guteni Shone Amana (ETH) – 2:20:11
3. Bedatu Hirpa Badane (ETH) – 2:21:55
10 Eliteläuferinnen, von 2:21 bis 2:27; 314 Finisherinnen ohne Elite-Frauen
Fotos © Anton Reiter
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