Wo Neckar und Sulm zusammenfließen, liegt Neckarsulm (26.000 EW). Die älteren von uns kennen noch Motorräder und Autos von NSU. Heute ist dort ein Audi-Werk. Neckarsulm liegt unmittelbar nördlich von Heilbronn (126.000 EW).
HN steht für Heilbronn und Trollingen ist keine Ortschaft. Der Trollinger-Marathon heißt nach einer Rotweinsorte (Großvernatsch) so, die ihren Ursprung in Tirol hat. Der Name ist in Württemberg schon seit dem 16. Jahrhundert gebräuchlich, diese Rebsorte wird hier in und um Heilbronn bevorzugt angebaut.
Seit Corona gab es diesen Marathon nicht mehr, nach 3 Jahren Pause nun wieder.
Vor dem Marathon
Am Samstag bin ich kurz vor 15 Uhr in HN, das Fahrrad im Kofferraum. Nach dem Einchecken im Hogh Hotel radle ich durch die Innenstadt und am Neckar entlang zum Frankenstadion, wo gerade diverse Kinderläufe stattfinden. Die Eltern sind mindestens so aufgeregt wie deren Nachwuchs. Ein LKW-Abschleppwagen blockiert die Zufahrt zur Startgeraden, da kommt kein Auto durch. Audi ist offenkundig ein Hauptsponsor, das ist nicht zu übersehen. Für Audi-Mitarbeiter gibt es sogar eine eigene Wertung, schließlich arbeiten in Neckarsulm 14.000 Leute bei Audi, da werden wohl einige Läufer darunter sein, und Läuferinnen auch.
Im Nu habe ich meine Startnummer, daran abtrennbar die Bezettelung für den Kleider-beutel, sowie Gutscheine für mein x-tes Leiberl und meine erste Flasche Trollinger.
Ich halte mich bevorzugt im Schatten auf, Sonne werde ich morgen noch genug erwischen. Maultaschen gibt es mit Kartoffelsalat, dazu ein Krombacher 0,0%. Die Weinflaschen werden vom LKW herunter verteilt.
Am Sonntag verlasse ich kurz vor 8 Uhr das Hotel. Ich radle auf einer Allee den Neckar entlang. Es ist friedlich, nur die Krähen die in den Bäumen nisten, verursachen einen Höllenlärm. Beim Garderobenzelt winkt mir Judit. Sie ist frisch eingetroffen, es ist schon ein paar Jahre her, seit wir uns zuletzt gesehen haben. Marathons macht sie nämlich nicht so oft, Judit ist auf Ultras spezialisiert.
Wir spazieren zum Start, übermäßig viele Leute sind nicht unterwegs, denn der Halb-Marathon startet erst um 10 Uhr. Von den Halbmarathonis werde ich nichts sehen, denn die sind schon alle im Ziel, bis ich eintreffen werde. Eine Redakteurin vom SWR3 hält Judit ein Mikrophon unter die Nase und filmt mit dem Smartphone das Interview mit.
Ein Interview vor dem Start, das hatten wir beide 2014 in Debrecen schon einmal.
Das Rennen
Start um ¾ 9. Knapp 400 Leute laufen los, auf der Straße, auf der ich hergeradelt bin. Die Krähen sind nach wie vor nicht zu überhören. Nach 1km rechts, wir überqueren den Neckar. Links vor uns der Götzenturm, der einmal die Südwestecke der Stadtmauer war. Rechts abgebogen, wieder dem Fluss entlang, nun aber am rechten Ufer und stadtauswärts.
Nach 4 eher flachen Kilometern spielt uns eine etwa 20-köpfige Blasmusikkapelle auf, auch einige Anwohner haben sich eingefunden. Wir verlassen den Fluss, es steigt leicht an. Erst an Einfamilienhäusern vorbei, dann auf einem Radweg durch Wiesen und Felder, schön wellig. Gut, dass es noch kühl ist.
Flein, erst noch flach, aber dann! Noch laufen oder besser gehen? Der Anstieg wird immer steiler, ich wechsle ab. Kunst im Kreisverkehr, am oberen Ortsende laufen wir auf einen Kreisverkehr zu, in dessen Mitte eine großzügige Stahlskulptur: Weinlese mit Esel und Gans, sehr schön. Judit überholt mich da. Raus aus dem Ort, kurz ist es relativ flach und dann beginnt der Anstieg zum höchsten Punkt der Strecke. Zwischen Weingärten durch ist der Kulminationspunkt bei km10. Filmteams und viele Fotografen wollen uns da raufkeuchen sehen. Von da oben hat man einen guten Überblick. Es ist alles schön hügelig rundum. Gefälle - bevor es steil wird, werden wir wieder verköstigt. Wasser, Iso, Äpfel, Bananen und Apfelsaftschorle, wie sie hier zu Apfelsaft g‘spritzt sagen. Danke, für mich keinen Wein!
Abstieg: „So, jetzt wollen wir einmal von unserem Übergewicht profitieren!“, sagt da einer der gar kein Übergewicht hat. Wenn es so einfach wäre! Auf etwa 1km geht es in Talheim 70 Höhenmeter bergab. In einer Spitzkehre laufe ich außen(!), da ist es nicht ganz so steil. Unten ist km11, schöne Fachwerkhäuser haben sie hier, die Halb-M-Strecke biegt ab.
Und schon der nächste Anstieg! Oben am Kreisverkehr gibt es Wasser, Staffelwechsel und viele Zuseher die uns anfeuern.
Raus aus dem Ort, beiderseits Felder. Erst Gefälle, dann das Gegenteil. Wie aufgefädelt laufen wir. Die Straße wurde für den normalen Verkehr gesperrt. Da, wo wir die Bundesstraße überqueren, achtet uniformierte Polizei auf uns, wir Läufer haben Vorfahrt. Wegweiser zu einem Zementwerk. Die Straße dort hinunter ist betoniert. Rechts unten der Neckar, links von uns eine steile Felswand, teilweise bewachsen. Obwohl wir herrlichen Sonnenschein haben, ist es hier dschungelartig dunkel und kühl. Km13, Judit Menz vor mir kommt an einen Schranken, wenig später ich auch. Der Schranken ist oben und wir dürfen durch das eingezäunte Werksgelände laufen. Am gegenüberliegenden Werkstor wieder Zuseher und Anfeuerungsrufe.
Anstieg ins Ortszentrum von Lauffen, Kopfsteinpflaster. Am Neckardurchbruch liegt eine Insel, auf der sich die einstige Grafenburg und das heutige Rathaus befinden. Wie in Talheim haben sie auch hier alte Fachwerkhäuser.
Die Brücke über den Fluss ist zweigeteilt, nur eine der Spuren darf befahren werden. Für diese Hälfte gelten maximal 3,5to Nutzlast. Da habe ich ja fast 3,4to Luft nach oben.
Sah es vorhin so aus, als läge die Kirche unmittelbar hinter dem Rathaus so sehe ich jetzt, dass zwischen Rathaus und der Regiswindiskirche hoch oben, der Neckar fließt.
Dahinter erheben sich Weinberge.
Wir folgen ein paar 100m der Landstraße, laufen unter der Eisenbahn durch und kommen zu einem bemerkenswerten Kreisverkehr, wegen der Kunst, wie in Flein schon. 7 teils nackte Figuren, teilweise gefesselt, teilweise Sport treibend sind hier auf einem Gestänge zu sehen, das an ein Mobile erinnert. Das beeindruckende Kunstwerk „Hölderlin im Kreisverkehr“ des Bildhauers Peter Lenk steht seit 2003 in Lauffen am Neckar. Ein Schild zeigt den Weg zum Geburtshaus des 1770 geborenen Dichters.
Wir laufen nun etwa 2km parallel zur Eisenbahn links von uns, rechts Supermärkte und Gewerbebetriebe. Nichts los natürlich am Sonntag.
Martin Zhang kommt von hinten, oft macht er wo den Schrittmacher, heute ist er für die 5 Stunden zuständig. Km17, „Nun sind wir durch Lauffen durchgelaufen!“, bemerkt er ganz richtig. Wir plaudern ein Weilchen. Martin Zhang ist Deutscher, lebt und studiert in Innsbruck und läuft mit seinen 24 Jahren gerade seinen 231.(!!) Marathon. Bei km19 weiß ich, in 2 Wochen in Salzburg, da werden wir uns am Start wiedersehen. Denn dort macht er dann den 4h-Pacer.
Es fängt an, wärmer zu werden. Wir folgen einem Bach und kommen nach Brackenheim OT Meimsheim, rechts rauf in den Ort. Wir laufen eine Schleife um den Sportplatz, die Musikkapelle hat leider gerade Pause. Oder eventuell gar schon Feierabend? Denn bei meiner Zwischenzeit bei km21 ist es 11h15. Wer hier nach 11h29 kommt, wird aus dem Rennen genommen, zumindest laut Ausschreibung! Was ich aber erst hinterher gelesen habe. Der Zielschluss nach 5h45 ist mir aber schon bewusst. Es wird Zeit für mein erstes PowerGel heute.
Auf der Jahnstraße, einer Landstraße, geht es leicht ansteigend hinaus nach Hausen. Ich sehe einige Leute nicht allzu weit vor mir. Es weht ein richtig kühlender Wind und die Sonne steigt immer höher, so wird es Zeit für mein Schlauchtuch auf dem Kopf. In Hausen geht es bergab, Familien feuern uns an. Das Runterlaufen taugt mir heute gar nicht mehr. Katharina Doganay (W35) überholt mich. Sie kommt aus der Gegend und ist noch nie so einen hügeligen Marathon gelaufen, verrät sie mir im Ziel. Wir biegen links ab in die Raiffeisenstraße, Ende Hausen, links und rechts Felder mit Gemüse, 2km leicht ansteigend bis zum nächsten Kreisverkehr, dort rechts. Der Kreisverkehr ist gut bewacht, von Streckenposten und Sanis. Nun etwas Bäume an der Straße, im nächsten OT, Dürrenzimmern, werden wir herzlich willkommen geheißen, km25. Die Vinothek sehen wir nur von außen, Spargelverkauf ab Hof.
Bald sind wir wieder zwischen den Feldern und da überhole ich Katharina, rechts am anderen Bachufer sehe ich Weinberge. Ob wir da hinauflaufen müssen?
Da und dort sieht man Hinweisschilder zu Weingütern. Einige Teilnehmer vor mir haben auf Gehbetrieb umgestellt. Etwas früh meines Erachtens, wir sind erst bei km28.
Auf dem Weg nach Neipperg fällt mir eine Helferin auf, die mutterseelenalleine und, vor allem, ohne Sonnenschirm auf eine Kreuzung aufpasst. Sie nimmt es mit Humor, es wird ja nicht mehr lange dauern.
Neipperg zicken wir nur an, die Burg ist aber nicht zu übersehen. Beim Weingut Echle biegen wir scharf rechts ab. Die Wasserstelle, und ehemals Staffelwechselzone, ist trockengelegt. Einmal mehr gratuliere ich mir zu meiner Entscheidung, mit einer Getränkeflasche zu laufen.
Zwar ist der Seebergweg wellig, hinauf auf diese Weinberge müssen wir aber nicht.
Nach und nach überhole ich noch ein paar Teilnehmer. Ob da nicht einige davon Probleme mit dem Zielschluss kriegen werden?
Km30, 3h46 bis hierher, 6min langsamer als zuletzt in Wien. Wenn man die Strecken-profile vergleicht, dann bin ich heute viel besser. Nun bin ich mir auch sicher, dass ich mit dem Zielschluss keine Probleme bekommen werde. Viele Zuseher beim nächsten Versorgungsposten, ist doch auch ein kleiner See in der Nähe. Wir laufen nun am Hang entlang, leider hängt der Weg nach rechts weg. Vorbei an der „Hüttle am Bühl“, einem Heurigen. Die Besucher sind mit Weinverkosten beschäftigt, uns Läufer nehmen nur die kleinen Kinder wahr – diese wollen abgeklatscht werden.
Keine nennenswerten Höhenmetern durch Nordhausen, raus aus dem Ort, rechts ein Rapsfeld, und hinauf nach Nordheim. Der erste Kreisverkehr ist unspektakulär, hier dürfen auch die Autos fahren, für uns Läufer wurde mit Verkehrshütchen eine Spur markiert. Rechts rein in den Ort, mir nach will ein Auto fahren. Die Polizistin hat da aber gar kein Verständnis und verscheucht die Autofahrerin unmissverständlich.
Mitten im Ort haben sie einen historischen Weinberg, einige wenige Reben stehen da.
Km35, Labestelle und zweites PowerGel für mich.
Wir folgen weiter der Hauptstraße, die zur Heilbronner Straße wird. Das hört sich schon einmal gut an!
Anstieg, raus aus dem Ort, noch 6km. Die Landstraße gehört uns Läufern alleine, Autolenker müssen sich einen anderen Weg suchen. Mir ist warm, aber nicht zu heiß, es fühlt sich noch gut an. Nur bergab mag ich gar nicht mehr. Km10 - km11, dieses Gefälle in Talheim zeigt seine Wirkung.
Wieder bergab, Katharina D., läuft an mir vorbei. Da komme ich nicht mehr mit.
Wir erreichen die Kreuzung, wo vor 2 oder 3 Stunden die Halbmarathonis von rechts gekommen sind. Da ist eine größere Labestelle samt Zelt vom Roten Kreuz und gehört auch schon zur Stadt Heilbronn, HN-Klingenberg, um genau zu sein. Das war es im Wesentlichen mit den Höhenmetern. Eine lange Gerade Richtung Ziel, dann ein kurzer Anstieg in HN-Böckingen, da ist es wieder kurvig und abwechslungsreich. Dadurch sind wieder jede Menge Helferleins notwendig, km40.
Die Stedinger Straße hinunter, an der Kreuzung mit der Eisenbahnstraße fährt mich und Suzannah Böhringer beinahe ein junges Mädchen mit ihrem 5er-BMW über den Haufen! Puhh, die hat’s aber eilig!
In der dunklen Eisenbahnunterführung für Fußgänger übersieht uns fast ein Vorschul-kind auf seinem Rad das mit Schwung herunter saust. Es wird Zeit, dass ich ins Ziel komme!
Hinauf auf die Erwin-Fuchs-Brücke, Blick nach links den Neckar abwärts: Den Kühlturm vom Heizkraftwerk HN habe ich schon oft gesehen, vom Auto aus auf der A6, wenn ich Richtung Sinsheim unterwegs war.
Diese Brücke gehörte heute früh schon zur Startaufstellung, weit kann es also nicht mehr sein. Km42, das Stadion. Als ich gerade ins Stadion einlaufe, höre ich, wie Katharina und Suzannah, Startnr. 1, ins Ziel kommentiert werden. Dafür habe ich die Zielgerade für mich alleine, juhu!
Die Viertelstunde Puffer zur Cut-Off-Zeit von km21 habe ich mit ins Ziel genommen.
Banane und Müsli im Ziel, dazu alkfreies Krombacher Weizen, gut so. Zügig suche ich den Schatten auf. In meinem Kleiderbeutel finde ich ein trockenes Leiberl und wenig später Judit bei einer Curry-Wurst. Sie ist schon geschnäuzt und gekampelt, ist sie ja bereits seit einer halben Stunde im Ziel.
Bald sieht man dunkle Wolken am Himmel. Judit fährt nach Hause, ich setze mich aufs Rad und bin in wenigen Minuten im Hotel. Wenig später geht ein ordentliches Gewitter nieder. Es geht nichts über ein gutes Timing. Später am Abend spaziere ich mit dem Regenschirm in der Hand durch Heilbronns Nieselregen, finde die Experimenta, das Science Center von HN, und einen goldenen Hasen auf einer 3m hohen roten Säule sitzend der eine Angel in den Neckar hält.
Da ich mir Flein und Lauffen genauer ansehen will, fahre ich am nächsten Morgen mit dem Auto dorthin. Der Neckar war gestern nicht besonders auffällig, heute aber tost er durch Lauffen. Da muss es in der Nacht so richtig stark geregnet haben! Leider regnet es immer noch. Die Fotos wären gestern besser geworden, da schien die Sonne. Tja, ist so.
Die Heimfahrt nach Linz (via Nürnberg) verläuft zum Glück ereignisarm, sie dauert keine 5 Stunden.
Fazit zum Trollinger Marathon
Startgeld 45, 50 oder 55,- EURO, je nach Anmeldezeitpunkt
inkl. einer schönen silbernen Finishermedaille am ROTWEINroten Band
XXL-Funktionsshirt, Kleiderbeutelabgabe, Finisherurkunde-Download
Versorgungsstellen mit Wasser, Iso, Apfelsaft g‘spritzt, Äpfel, Bananen; ein bisschen Rotwein
Duschen, Ziellabe: Obst, Wasser, Müsli, alkoholfreies Krombacher Weizen
Das Ziel war 6h15 offen
0.371 Marathonfinisher (305m + 66w)
2.245 Halb-M-Finisher (1.686m + 559w)
0.020 3er Staffeln
Sieger:
1. Kay-Uwe Müller 2h 34min 00sec
2. Michael Chalupsky 2h 34min 35sec
3. Marco Diel 2h 50min 56sec
weiters 287. Herbert Orlinger 5h 30min 42sec
die schnellsten Damen:
1. Isabel Leibfried 2h 53min 12sec
2. Silvia Felt 3h 09min 10sec
3. Maria Veliscu 3h 12min 39sec
Alle Fotos © Herbert Orlinger
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