Die Leichtathletik-Weltmeisterschaften 2019 in Doha sorgten für derart viele Diskussionen, wie kaum ein anderes Großereignis zuvor.
Internationale Großereignisse werden vermehrt an das Land auf der arabischen Halbinsel vergeben. So wurde etwa die Handball-WM 2015 in Katar ausgetragen und nach den Leichtathletik-Titelkämpfen folgt 2022 die Fußball-WM in Doha. Die wird übrigens von Mitte November bis Mitte Dezember ausgetragen, um extrem heißen Temperaturen aus dem Weg zu gehen.
Auch die Leichtathletik-Weltmeisterschaften fanden zu einem ungewöhnlichen Zeitpunkt statt. Denn normalerweise werden die jedes zweite Jahr durchgeführten globalen Titelkämpfe im August ausgetragen. Da wäre es in Katar aber viel zu heiß. Doch auch Anfang Oktober ist es in Doha für Spitzensport eigentlich zu warm. So hat es in Doha um diese Jahreszeit auch abends Temperaturen über 30 Grad Celsius. Das sorgte im Vorfeld der WM für Entsetzen bei der Vergabe an Katar.
Kurz vor Ende der WM ziehen wir ein Fazit zu den 17. Leichtathletik-Weltmeisterschaften:
CONTRA: Vergabe
2014 wurde die WM an Katar vergeben. Eugene und Barcelona blieben auf der Strecke. Eugene wurde aber mit der Austragung der WM 2021 vertröstet. Die Vergabe war höchst umstritten. So sagte Spaniens Leichtathletik-Präsident, das sich der mit Abstand schlechteste Kandidat durchgesetzt habe und Katar die WM gekauft hat. So soll Katar dem IAAF (Welt-Leichtathtletikverband) zum üblichen Budget weitere 37 Millionen Dollar angeboten haben.
CONTRA: Zuschauerinteresse
Es ist nicht das erste große Leichtathletik-Ereignis mit wenig Zusehern. Auch in Peking 2015 etwa war das Stadion teilweise halb leer. Immerhin lernten die Organisatoren in Katar rasch von ihren Fehlern. Nachdem anfangs die Finalbewerbe spät abends teilweise vor fast leeren Zuschauerrängen ausgetragen wurden, gab es gegen Ende der WM freien Eintritt. Kurios dabei: Zuseher, die für ihr Ticket vorab bezahlt hatten, wurden dann allerdings teilweise nicht mehr in das Stadion gelassen, da ihre Plätze bereits belegt waren.
PRO: Stimmungsvolle Fans
Auch wenn über "gekaufte" Fans gemunkelt wird. Die Fans waren stets gut gelaunt.
PRO: Keine langweilige Vormittagssession
In Katar gab es keine Vormittagssession, wie bisher bei den meisten Titelkämpfen. Vormittags wurden in der Vergangenheit zumeist Qualifikationsbewerbe ausgetragen und einige Disziplinen der Mehrkämpfer und Mehrkämpferinnen. Das Zuschauerinteresse war meist gering. In Doha wäre es wohl kaum anders gewesen.
CONTRA: Marathon und Gehen
Ein gekühltes Stadion verhalf zwar den Läufern auf der Bahn und den Athleten der technischen Bewerbe zu Höchstleistungen, doch die Marathonläufer und Geher mussten ihre Bewerbe auf der Straße absolvieren. Die Rennen wurden um Mitternacht gestartet, doch auch hier hatte es über 30 Grad Celsius. Selbstverständlich waren um diese Uhrzeit kaum Zuseher auf dem unglaublich langweiligen und eintönigen Kurs auf einer Autobahn zu sehen. Den Frauen-Marathon finishte die schnellste Läuferin in einer Zeit jenseits von 2:30 Stunden, es war der langsamste WM-Marathon aller Zeiten. Zahlreiche Läuferinnen gaben auf, viele erreichten das Ziel erst nach drei Stunden. Auch die Bewerbe der Geher und Geherinnen wurden in der Nacht abseits des Zuseher- und Medieninteresses ausgetragen.
PRO: Split-Screen
Der Weltleichtathletikverband IAAF hat zumindest bei dieser WM bewiesen, für Veränderungen offen zu sein. So gab es in der Fernsehübertragung endlich einen Split-Screen, der schon lange fällig war. Gab es etwa zeitgleich einen Laufbewerb und einen technischen Bewerb, so war der Laufbewerb vollständig und ohne Unterbrechung zu sehen. Bei spannenden Entscheidungen bei der Paralleldisziplin war der Laufbewerb zumindest in einem kleinen Kasten weiter zu sehen.
PRO: Choreographie & technische Innovationen
Die Choregraophie und die technischen Inszenierungen der Finalbewerbe waren meist herausragend. Die Vorstellung der Sprinter in den Finalbewerben sorgten durchaus für Gänsehautmomente. Bitte mehr davon, auch wenn nicht alle technischen Innovationen sinnvoll waren, wie etwa die umstrittenen Startmaschinen-Kameras.
CONTRA: Startmaschinen-Kamera
Die wie bereits erwähnte Kamera auf der Startmaschine der Sprinter sorgte für hitzige Diskussionen. Denn diese filmte die Athleten aus eher unvorteilhafter Position. Neue Technologien für TV-Bilder sind zwar grundsätzlich wünschenswert, aber nicht immer sinnvoll.
PRO: 4 x 400 Meter Mixed
Mit fast 50 Bewerben gibt es mittlerweile genug Entscheidungen in der Leichtathletik. Mit der 4 x 400 Meter Mixed-Staffel kam es 2019 aber zu einer Neuerung und diese gefiel durchaus. Bei diesem Bewerb mussten je zwei Frauen und zwei Männer pro Staffel antreten, die Reihenfolge durften die Länder frei entscheiden. So kam es u.a. auch zu Duellen Mann gegen Frau. Durchaus spannend anzusehen.
CONTRA: Kleinliches Reglement
Zahlreiche Diskuswerfer staunten nicht schlecht, als ihre Wurfgeräte kurz vor Beginn der Qualifikation nicht zugelassen wurden. So mussten etwa der Oberösterreicher Lukas Weißhaidinger und der Schwede Daniel Stahl mit dem Ersatz-Diskus antreten. Beide überstanden zum Glück die Qualifikation und wurden schlussendlich sogar mit einer Medaille belohnt (Gold für Stahl, Bronze für Weißhaidinger), für das polnische Team endete diese Kleinlichkeit aber weniger glimpflich. Denn alle Diskuswerfer scheiterten in der Qualifikation. Diese nicht zugelassenen Wurfgeräte wurden übrigens in diesem Jahr bei internationalen Wettkämpfen immer zugelassen. Wieso ausgerechnet in Doha nicht mehr, ist nicht verständlich.
Herausragende, aber kaum fragwürdige Leistungen
Die Leichtathletik hat in den letzten Jahren aufgrund zahlreicher Dopingfälle an Vertrauen verloren. Immer wieder gab es bei globalen Titelkämpfen Weltrekorde, die Zweifel aufkommen ließen. Man erinnere sich zum Beispiel an die Äthiopierin Almaz Ayana, die bei den Olympischen Spielen 2016 das 10.000-Meter-Rennen total locker und überlegen in der Weltrekord-Zeit von 29:17,45 Minuten gewann. Beeindruckend, aber solche Leistungssprünge lassen immer Zweifel aufkommen, auch wenn Ayana (bis jetzt) nichts vorgeworfen werden kann. In Doha gab es viele hochklassige Entscheidungen, wie etwa das Kugelstoß-Finale der Herren, wo die Top 3 nur einen Zentimeter trennten. Weltrekorde wurden zum Glück keine pulverisiert. Einen Weltrekord gab es aber trotzdem: Über 400 Meter Hürden triumphierte die US-Läuferin Delilah Muhammad in beeindruckenden 52,16 Sekunden. Die war aber bereits zuvor Weltrekordhalterin und verbesserte ihre Rekordmarke um nur wenige Hundertsel.
Gut verlief die WM auch für Österreichs Leichtathletik-Team mit zwei Bronze-Medaillen durch Diskuswerfer Lukas Weißhaidinger und Siebenkämpferin Verena Preiner. Für Deutschland holte Niklas Kaul nach einer unglaublichen Aufholjagd überraschend Gold im Zehnkampf. Laufwunder Konstanze Klosterhalfen lief über die 5.000 Meter zu Bronze, Gesa Felicitas Krause stürmte über die 3.000 Meter Hindernis mit neuem Landesrekord von 9:03,30 Minuten ebenfalls zu Bronze.
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