(C) SIPEr war ein ehrgeiziger junger Mann aus Wien, der Sternstunden des Weltsports geschaffen hat.

Von der Geschichte gewaltsam verfrachtet, im Land seiner Herkunft völlig unbekannt: Franz Stampfl, eine der weltweit prägendsten Trainerpersönlichkeiten und ein Pionier des modernen Sports, steht im Mittelpunkt einer Buchneuerscheinung.

„Franz Stampfl – Trainergenie und Weltbürger: Biografie eines Visionärs“ erzählt und dokumentiert erstmals die fantastische Geschichte des legendären Coachs, der am 18. November 1913 geboren worden ist und nun den hundertsten Geburtstag gefeiert hätte. Mit seinen Athleten jubelte er über Olympiasiege und Weltrekorde, Europameistertitel und Gewinne bei Commonwealth-Meisterschaften. Seine Biografie ist eine Abenteuerreise zu Glanzstunden der Leichtathletik, ein wildes Stück Zeitgeschichte und die inspirierende Entdeckung einer Person, die ihrer Zeit in vielem voraus war.

Die Traum-Meile
Begründet wurde Franz Stampfls Ruf als genialer Coach durch die legendäre „Dream Mile“ vom 6. Mai 1954 in Oxford, einem der eindrucksvollsten Sportmomente des 20. Jahrhunderts, als mit Roger Bannister zum ersten Mal ein Mensch die klassische Meile unter vier Minuten gelaufen ist. Viele von Stampfls Methoden waren bahnbrechend und sind heute noch modern. Er setzte auf Mentalarbeit, Intervalltraining, Teamwork, Projektplanung und die Verknüpfung von Körper und Seele, lange bevor Life Coaching und Sportpsychologie zur Profession geworden sind. Sein 1955 erschienenes Laufbuch der Trainingspläne">Buch „On Running“ ist ein Klassiker der Sportliteratur, ein „bewundernswertes und packendes Laufbuch der Trainingspläne">Buch über Training und Taktik“, wie die Times in London schrieb. Er führte und motivierte tausende Athleten aus allen Kontinenten und brachte Freizeitsportler zum Laufen, als Stadtmarathons noch entfernte Zukunft waren.

Doch selbst das ist nur die halbe Geschichte. Franz Stampfls Biografie am Kreuzungspunkt von Weltsport, Zeitgeschichte und privaten Schicksalsschlägen ist ein volles Jahrhundert lang im Dunkeln geblieben. Man fragt sich, warum man nicht schon viel früher etwas über den erfolgreichsten Trainer österreichischer Provinienz erfahren hat.

Von Wien in die Welt
Er wuchs in Wien-Ottakring in einfachen Verhältnissen auf, absolvierte eine kaufmännische Ausbildung und besuchte als Student der Malerei die Kunstgewerbeschule. In der Leichtathletik brachte er es 1935 zum österreichischen Juniorenmeister im Speerwurf. Im Alter von 23 Jahren hat er nach einer Sperre wegen „gröbster Unsportlichkeit“ im Gefolge der Olympischen Spiele von Berlin aus Mangel an Perspektiven und Angst vor der politischen Entwicklung das Land Richtung London verlassen. In Großbritannien wurde er als „Enemy Alien“ (feindlicher Ausländer) verhaftet und 1940 unter verheerenden Bedingungen nach Australien deportiert. Zwei Jahre musste er in Internierungslagern verbringen und leistete danach Dienst in der australischen Armee. Nach Ende des Zweiten Weltkrieges legte er in Großbritannien den Grundstein für Welterfolge im Sport.

„Als ich seine Fähigkeiten erkannt habe, war Franz der Einzige, mit dem ich über Laufen und Training diskutieren wollte. Seine Persönlichkeit war überwältigend“, sagt Roger Bannister über den Mann, der ihn bei der Vorbereitung zur ersten „Sub-4“-Meile betreut hat. Chris Chataway, 5.000m-Weltrekordläufer und ehemaliger britischer Minister erinnert sich lebhaft: „Franz war ein brillanter Motivator und konnte alles mit Magie überziehen. Er wirkte auf uns, als wäre er aus einer anderen Zeit und einer anderen Welt.“

Nachdem Franz Stampfl 1955 auf eine für ihn geschaffene Trainerstelle nach Australien berufen worden war, feierte er mit seinen Athleten weitere Erfolge. Der größte davon war der Olympiasieg in Mexiko City 1968 über 800 Meter durch Ralph Doubell. Seine Grenzerfahrungen im Zweiten Weltkrieg transformierte Stampfl in den Sport: „Der Kern seiner Botschaft war immer: Lass dich nicht von den Umständen unterkriegen, lass dich nicht brechen!“, so Doubell. Der ehemalige Wiener Kunststudent prägte auch einen Sager mit Potenzial zum Klassiker: „Running is an art, and every runner must be thought of as an artist.“ Fast bis zu seinem Tod am 19. März 1995 war Stampfl in Melbourne als Trainer tätig. Die letzten 14 Jahre seines Lebens wurde seine Widerstandskraft einmal mehr auf die Probe gestellt, denn nach einem Verkehrsunfall war er als Tetraplegiker fast ohne Bewegungen in Armen und Beinen. Er hat nicht aufgegeben und blieb vom Rollstuhl aus weiter aktiv.

Mehrfach ist Franz Stampfl nach Österreich zurückgekommen. Bei seinen Besuchen in Wien zwischen 1960 und 1980 hat aber praktisch niemand von ihm Notiz genommen. Keine Institution des Sports, der Kunst und der Wissenschaft konnte Informationen über ihn bereitstellen. Seine Geschichte bietet Stoff für großes Kino und ist mitreißend bis heute. Sie ist längst vergangen und auf faszinierende Weise gegenwärtig. Sie erzählt von Visionen und dem Streben nach Erfolg, von Krieg und Flucht, von Triumphen, Untergängen und der Suche nach einem Platz in der Welt.

Biografie, Roman oder Krimi?
Der Autor Andreas Maier zeichnete das faszinierende und manchmal widersprüchliche Leben des vergessenen Trainerstars nach ausführlichen Recherchen auf. Die Biografie basiert auf Originalinterviews mit Sportlern, Zeitzeugen und Familienmitgliedern in Österreich, Großbritannien und Australien, historischen Publikationen sowie Material aus den Nationalarchiven von London und Canberra. Anton Stampfl, der in Sydney lebende Sohn von Franz, hat zudem Dokumente und Informationen aus dem Nachlass des Trainers zur Verfügung gestellt. Was nun vorliegt, ist die packende Biografie eines Menschen, der Meilensteine gesetzt hat, mit strahlenden und tragischen Seiten, sachlich fundiert und spannend wie ein Krimi.

Foto (C) SIP


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